"verlorene Träume - heimatlos"
- beateniepel
- 20. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Juli
Eine Installation über das Verlorene (2015)

Die Nachrichten überfluteten uns mit Zahlen. Boote kenterten. Menschen starben im Mittelmeer, auf der Flucht. In den Kommentaren der Öffentlichkeit war oft von „Krise“ die Rede – für mich war es ein Drama: Ein stilles Sterben am Rande unseres Wohlstands.
„heimatlos“ ist meine künstlerische Reaktion auf diese Wunde. Eine vierteilige Installation, entstanden in einem Kiesbett (the prayer. shameful signs, oblivion, hope). Als wäre sie dort angespült worden. Vom Wasser. Von der Welt.
Die Formen sind aus blauem Alabaster, Sandstein und Kalkstein gearbeitet – vier Steine, die sich sehr unterschiedlich verhalten, und doch etwas Gemeinsames tragen: sie sind verletzlich. Genau wie die Geschichten, die sie hier erzählen.
Der Blick schweift über Fragmente: Köpfe, Gesichter – keine vollständigen Figuren, sondern angedeutete Existenzen. Sie ruhen auf Sand, auf Kies, auf nichts Festem, sind gekippt, abgewandt. Doch der Schlaf ist keiner. Es ist Stillstand. Ende. Ankunft ohne Ankommen.
Eine Skulptur ist zart, fast weich – wie ein blaues Herz, das sich zusammengezogen hat. Die Anderen wirken roh, fast grob aus dem Stein geschlagen. Als wären sie mitten im Werden abgebrochen. Diese bewusste Uneinheitlichkeit war mir wichtig: sie steht für das Zerrissene. Für das Nicht-ganz-Dasein-Dürfen. Für die Frage, was ein Menschenleben wert ist – und wer das entscheidet.
Das Arrangement liegt wie eine kleine Insel auf dem Boden. Kein Podest, kein Schutz. Die Besucher:innen stehen dicht davor, manche verharren lange, andere schauen verunsichert weg. Viele sind bewegt, manche verstört. Ich erinnere mich an ein Kind, das flüsterte: „Warum schlafen die auf Steinen?“ – Eine bessere Frage hätte man nicht stellen können.
Mich selbst hat die Entstehung dieser Arbeit tief getroffen. Ich trug beim Arbeiten die Bilder in mir, die wir alle kannten – Fotos von Körpern an Stränden, weggeschoben aus den Nachrichten, aber nicht aus dem Kopf. „heimatlos“ ist mein Versuch, nicht sprachlos zu bleiben.
Heute, Jahre später, wirkt die Installation anders. Der Anlass bleibt schmerzlich aktuell. Doch es hat sich auch etwas verändert: Die Arbeit ist zu einem Ort des Erinnerns geworden. Und der Mahnung. Vielleicht auch der stillen Anteilnahme.
Denn wer hinsieht, spürt: Es geht hier nicht nur um Flucht. Es geht um Würde. Um Sichtbarkeit. Um das Menschsein selbst.
„heimatlos“ ist keine große Geste. Keine Anklage. Aber sie lässt keine Ruhe. Und das, so glaube ich, darf Kunst manchmal sein.
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